Dass man in Frankreich um Napoleon und
Napoleon-Erinnerungen nicht herumkommt, ist klar und sicher für
niemanden unerwartet. Die Route Napoleon verbindet die Seealpen mit
engen, malerischen Schluchten und relativ ansehnlichen Höhen mit der
Küste und deren Städten wie Cannes, Saint-Tropez oder Nice. Vier
Pässe musste 1815 der Kaiser auf seinem beschwerlichen Weg
bewältigen, der Col du Pilon (786 m), der Pas de la Faye (981 m),
der Col de Valferrière (1169 m) und der Col de Luens (1054 m).
Beinahe jedes Restaurant, jede Auberge an der Route Napoleon beruft
sich darauf, dass Napoleon-Bonaparte hier gerastet, gegessen oder
übernachtet hat.
Auch wir haben oft diesen Weg über die N75/N85 in umgekehrter Richtung von Norden für unseren Urlaub an der Côte benutzt. Heute fahren wir lieber über die Autobahn entlang der Rhône um dann von Süden Castellane und Moustiers aufzusuchen. Dieser Weg ist nicht so beschwerlich und man erreicht schneller sein Ziel. In Castellane an der Route Napoleon beginnt unsere Reise zu den abenteuerlichen Schluchten des Verdon - eigentlich ein kleiner Nebenfluss der Durance. Über eine Strecke von 25 Kilometern windet sich sein Bett zwischen Steilwänden, bis zu 750 m tief abwärts.
Das malerische Städtchen Castellane liegt an der N85 am rechten Verdon Ufer - auf halber Strecke zwischen Cannes und Sisteron. Es ist ein kleiner aber freundlicher Ort mit einem Marktplatz mit hohen Bäumen, Cafés, kleinen Hotels, vielen kleinen Geschäften, zwei Campingplätzen und einer unverkennbaren Kirche auf einem Hügel auf den Ort blickend.
Die Entfernungen zur Küste sind so gering, zumindest, wenn man die Pässe erst mal passiert hat, dass sie sich mit einem Badeurlaub an der Côte leicht verbinden lassen. Für den, der aber mehr die Ruhe, die frische Luft und die angenehm kühlen Nächte des Berglandes während des ganzen Urlaubs genießen möchte, bietet das ruhige Hinterland eine Fülle von Möglichkeiten für einen Dauerurlaub.
Auf der D 952, entlang des hier noch relativ flach in Höhe der Strasse verlaufenden Verdon, vorbei an einer Vielzahl von Campingplätzen, fahren wir nach Westen. Unser erstes Ziel ist, oberhalb der Landstrasse, Chasteuil. Ein kleines Örtchen mit einigen Kunstgewerbelädchen, einer Creperie und einen ersten Blick von oben. Von hier aus haben ausdauernde Wanderer die Möglichkeit um auf dem Wanderweg G.R.4 über die Kämme zum 1930 m hohen Mourre de Chanier zu gelangen. Neben der kargen aber sehr interessanten Vegetation, ein fantastischer Ausblick bis hin zum Meer.
Weiter auf der Landstrasse erreichen wir die Brücke „Pont de Soleils“, hier müssen wir uns entscheiden, ob wir den linken oder den rechten Weg nehmen. Wir entscheiden uns für rechts – den nördlichen Weg mit den meisten und tiefsten Einblicken in die Schlucht.
Als ersten Aussichtspunkt entdecken wir den Point Sublime mit dem Eingang des Großen Canyons und dem Engpass des Korridors Samson. Auf dem Parkplatz Couloir Samson stellen wir unser Fahrzeug ab, leider immer mit dem Gefühl es könnte etwas gestohlen werden. So nehmen wir alle Wertsachen mit und überlassen potentiellen Dieben den Eindruck „hier ist nicht zu holen“. Über einen flachen Kamm aus Fels gehen wir einige Meter zum Aussichtspunkt. Dort angekommen: „oh Gott“, nur eine abgewetzte Eisenstange trennt uns vor der absoluten Brutalität der senkrechten Tiefe von 450 Metern. Man geht automatisch einen Schritt zurück – nichts für Schwindelige?! Dennoch man sollte notfalls unter Aufbietung aller Willenskraft, dieses Naturschauspiel aufsuchen – es zählt zu den außerordentlichsten Sehenswürdigkeiten der Erde!
Nach einigen Kilometern biegen wir, noch vor La Palut, nach links in die Panoramastrasse D23 zur Hütte von La Malines. Hier erwarten uns in kurzen Abständen die Aussichtspunkte von Trecaire, der Carelle, des Dent d`Aire, Pas de la Baou, des Tilleul, der Guegues bis hin zur Gebirgshütte von Malines – jeweils mit einem fantastischem Ausblick!! Von hier führt in Serpentinen ein Wanderweg hinunter zum Fluss. Man kann dort zelten und baden, aber Vorsicht (!) vor den nicht sichtbaren Strudeln. Sieben Tunnel (Taschenlampen mitnehmen) erwarten den Wanderer zum erkunden und auch als Nachtlager. Der längste Tunnel, die Grotte von Guegues hat eine beachtliche Länge von 1194 Metern. Es werden zahlreiche Legenden über zwielichtige Gestalten, die in den Grotten gelebt haben sollen, erzählt. In der Gegend des Verdon sind auch zahlreiche Fossilien entdeckt worden.
Vorbei an Schaf- und Ziegenherden, Einhandkletterern an den
Felswänden, blühenden Lavendelfeldern gelangen wir schließlich nach
La Palud, einem kleinen liebenswürdigen Ort, der für die Wanderer
sogar mit einen Campingplatz aufwarten kann. Auf der D952 führt uns
der Weg schließlich an den Lac de Sainte-Croix und zum Städtchen
Moustiers Sainte-Marie. Der Stausee Sainte-Croix bietet eine
Vielzahl von Wassersport- und Erholungsmöglichkeiten sowie eine
große Anzahl von Ferienhäusern, Campingplätzen und sonstigen
Übernachtungsmöglichkeiten. Moustiers, entstanden aus einem im 5. Jh. gegründeten Kloster, hat ein Museum über die heute wieder
zunehmend in Mode kommenden Provence-Fayencen zu bieten. Das
Wahrzeichen von Moustiers, die Chaîne de l´Etoile ist eine 227 m
lange Eisenkette mit einem goldenen Stern, zwischen zwei
Felsenriffen, ziemlich genau über der Kapelle.
Wolfgang Kaeding
Canyon du
Verdon:
ein europäisches Naturwunder
Ardèche - ein Kanu-Spektakel ?